Siebengebirge per Klapprad

Ja, mit einem Klapprad das Siebengebirge zu durchfahren ist eine bekloppte Idee. Das habe ich vorher geahnt, währenddessen gemerkt und im Nachhinein kopfschüttelnd begrinst. Aber manchmal muss ich mich selbst testen. Mir Herausforderungen auferlegen, die ich mit viel körperlicher und geistiger Bewegtheit dann irgendwie durchstehe, mit viel Fluchen und viel Genuss, wenn das Fluchen einmal überwunden ist. Und darum geht es.

Es geht mir beim Reisen nicht darum, “Urlaub” zu machen. Nicht darum, die Natur nur zu “genießen”. Es geht mir darum, mich in der Natur zu testen. Meine menschliche Existenz zu fühlen, mit allen Sinneswahrnehmungen, allen Stimmungen, mit allen Hindernissen, Möglichkeiten und Grenzerfahrungen.

Nun war das Siebengebirge wirklich kein großer Trip. Drei Tage lang habe ich Wälder und Berge durchfahren (geschoben, gefroren, über Baumstämme gehoben). Aber wieder einmal war ich innerhalb kürzester Zeit fasziniert davon, wie weit weg man trotz weniger Kilometer sein kann, von allem, was einen normalerweise real und gedanklich umgibt. Denn es sind nicht die Kilometer, die den Unterschied machen und die neue Perspektive, die neuen Erfahrungen, den “Erholungseffekt”. Es ist die Andersartigkeit des (Er-)Lebens. Es ist das Austreten aus der persönlichen Komfortzone. Und das sich Fallen-Lassen in Neues, Unbekanntes.

Im Fall Siebengebirge hatte ich keine Landkarte und kein Smartphone dabei. Dadurch bot mir jede Kurve die ich umfahren und jeden Berg, den ich überschoben habe, etwas Neues, Unerwartetes. Und damit auch die Freude des Entdeckens.

Ich glaube, wenn wir ungeplant und  “hilflos” reisen, kommen wir dem kindlichen Erleben wieder sehr nahe. Alles ist plötzlich neu und kann ganz frisch erkundet werden. Betrachtet, erfühlt, aufgesogen, mit allen Sinnen.

Auf dieser Reise, Anfang Oktober, habe ich zum Beispiel (nach anfänglicher Besorgnis, wieviel Essen ich mitnehmen soll. Essen = Ballast = bergauf noch mehr schwitzen.) durch Zufall nach und nach gemerkt, wie viele Früchte der Natur Erntezeit haben. Eine Haselnusshecke am Dorfrand, ein Birnenbaum, eine ganze Wiese voller Apfelbäume und ein Hang voller Walnussbäume. Noch nie zuvor habe ich Walnüsse vom Boden gesammelt, aus ihrem Fleisch geschält und dann mit Natursteinen geknackt. Es war eine großartige, neue Erfahrung und ich hatte über Tage jede Menge zu essen.

Und das ist der Grund, weshalb ich solche Reisen liebe und jedem empfehle. Die Freude, die sich aus Unbekanntem, Ungeahntem, Neuentdeckten ergibt – und auch aus dem Entdecken der eigenen Stärke und Kreativität in der Natur – ist pur und nachhaltig. Sie stärkt und macht glücklich. Das wage ich sogar zu versprechen.

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